Ferienspaß und viele Fragen
Nach Ameland setzen viele Anbieter auf langjähriges Vertrauen der Eltern «Piep, piep, piep, wir ham‘ uns alle lieb », gemeinsam sprechen Teilnehmer und Betreuer den Kinderreim, bevor es das lang ersehnte Mittagessen gibt. Heute stehen Nudeln und Hähnchenkeulen auf dem Speiseplan. «Dürfen wir die echt mit den Händen essen?» Fasziniert dreht eines der Kinder sein Hühnerbein in den Fingern.
Besonders für Eltern, die auch in den Ferien arbeiten müssen, sind solche Angebote vor Ort, wie die Ferienbetreuung des evangelischen Forums Jugendarbeit Duisburg, eine wichtige Unterstützung. In den Ferien können die Kinder dort von 7.30 Uhr bis 16 Uhr malen, basteln und sich auf dem Gelände der Schule am Röttgersbach austoben.
Eine Frage dürfte viele Eltern begleiten:
Können sie ihre Kinder noch beruhigt in fremde Hände geben, wenn über Missbrauchsfälle berichtet wird? Alarmierend etwa ist der Missbrauchsskandal auf der Insel Ameland.
Bei einer Ferienfreizeit des Stadtsportbundes Osnabrück sollen jugendliche Teilnehmer im Alter von 13 bis 15 Jahren ihre 13-jährigen Opfer sexuell missbraucht haben. Die Betreuer der Freizeit stehen in Verdacht, sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht zu haben. Den Aussagen einiger Teilnehmer nach sollen die Betreuer auf den Missbrauch angesprochen worden sein, aber nicht reagiert haben.
In der Duisburger Ferienbetreuung lacht die 19-jährige Abiturientin Sarah Olberg über die Frage zum Hühnerbein. «Klar darfst du das. Hauptsache, du wäschst dir nachher deine Hände.» Zusammen mit ihren beiden ehrenamtlichen Kollegen und dem Leiter der Einrichtung, Andreas Hendelkens, ist sie eine Woche lang für die quirlige Bande von etwa 15 Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren zuständig.
Mancher Verein oder Anbieter fürchtet, dass Eltern ihre Kinder aus Angst nicht mehr an Ferienfreizeiten teilnehmen lassen. Auch die Mitarbeiter der Ferienbetreuung in Duisburg haben die Berichte über sexuelle Gewalt unter Jugendlichen diskutiert. Aber große Sorgen über rückläufige Anmeldungen machen sie sich nicht, wie Betreuungsleiter Hendelkens erklärt. «Die Eltern kennen uns zum Teil schon seit Jahren», bestätigt der 21-jährige Tobias. Er macht zurzeit ein freiwilliges soziales Jahr im Jugendforum. Die Schulung der jugendlichen Mitarbeiter, der «Teamer», ist für Eltern ein wichtiger Anhaltspunkt für die Auswahl von Anbietern in Sachen Ferienbetreuung.
Die «Juleica» etwa, kurz für Jugendleitercard, ist ein freiwilliger Qualifikationsnachweis für ehrenamtliche Jugendmitarbeiter. Ausgestellt wird eine solche Karte vom zuständigen Jugendamt. Vorraussetzung ist die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs und einer Schulung über Themen wie Gruppenpädagogik und Aufsichtspflicht.
Sexueller Missbrauch unter Jugendlichen ist ein Thema, mit dem die Jugendbetreuer aus ihrem Bekanntenkreis zum Glück noch nichts zu tun hatten, wie die Duisburger Teamerin Sarah betont. «Einen erhöhten Bedarf an Beratung zum Thema sexuelle Gewalt unter Jugendlichen konnten wir nicht feststellen», sagt auch Peter Rüttgers, Sexualpädagoge bei «pro familia» in Duisburg.
Hendelkens, der Leiter der Duisburger Ferienmaßnahme, macht sich auch um die mutmaßlichen jungen Täter von Ameland Gedanken. Prävention sei hier das Stichwort, sagt er. Auf einer Freizeit mit einer größeren Gruppe ergebe sich automatisch eine Hierarchie. Wer nicht mitmache, was die «Großen» vorschlagen, sei schnell selbst das Opfer.
Entscheidend sei die Entwicklung von Selbstvertrauen. Kinder müssten auch Nein sagen können. Dabei sei auch das Verhältnis zu den Betreuern wichtig.
«Nur wenn die Teilnehmer sich sicher sein können, auf ein offenes Ohr zu stoßen, trauen sie sich auch, über Probleme zu sprechen, die ihnen vielleicht unangenehm sind.» Es fällt den Mitarbeitern des Duisburger Jugendforums schwer, sich vorzustellen, dass Betreuer nichts von Übergriffen zwischen Teilnehmern mitbekommen.
Für den 42-jährigen Hendelkens, der zurzeit auf dem zweiten Bildungsweg sein Diplom in sozialer Arbeit macht, sind Zuhören und Nachfragen Hauptaufgaben in der Jugendarbeit. «Wenn ein Kind sich untypisch verhält, ist es die Pflicht eines Mitarbeiters herauszufinden, was mit dem Kind los ist», betont der langjährige pädagogische Mitarbeiter. Auch die Leitung ist für Hendelkens entscheidend. «Bei solchen Angeboten muss es mindestens einen Hauptamtlichen mit Lebenserfahrung und einer pädagogischen Ausbildung geben, der im Notfall weiß, was zu tun ist, und seine Ehrenamtlichen unterstützt», erklärt Hendelkens.
Das findet auch Sarah Koralewski, die Dritte im Bunde der Ferienbetreuer. Eine sexualpädagogische Schulung für Jugendmitarbeiter, wie sie zum Beispiel «pro familia» anbietet, hält die 18-Jährige nicht für zwingend notwendig.
Viel wichtiger ist ihr, generell sensibel für die Bedürfnisse der Kinder zu sein und sich mit ihren Problemen zu beschäftigen.
Esther Merkelt (epd)